Hauptsache, der Schleier sitzt!

Heute beginnt in Katar die tolerante Fußball-WM der Männer

von Ludwig Lenis

Foto © Arndt Deckers

Hauptsache, der Schleier sitzt!
 
Heute beginnt in Katar die tolerante Fußball-WM der Männer
 
Werte Sportfreundinnen, Fußballanhänger und infanti(noi)le mit Blindheit geschlagene FIFA-Fans! Alle wissen es, alle reden empört  darüber, keiner wird und will sich hierzulande im Fernsehen die ge- bzw. verkauften Spiele im korrupten Emirat Katar ansehen oder gar hinfahren – soviel jedenfalls geht aus allfälligen Umfragen hervor. Public Viewing ist abgesagt, na klar, das fällt leicht, wer will schon bei November-Schmuddelwetter im Freien stehen und sich Fußballspiele in der Wüste anschauen. Sportkneipen wollen die Übertragungen von ZDF und ARD boykottieren – behaupten viele jedenfalls. Die Fußballer aus aller Welt reisen offenbar ohne schlechtes Gefühl hin, wohl wissend, daß die Stadien mit dem Schweiß, Blut und Tod vieler Arbeits-Sklaven erreichtet wurden. Die britische Tageszeitung The Guardian nennt für Katar die Zahl von 6.500 toten Arbeitsmigranten seit Vergabe der Weltmeisterschaft im Jahr 2010. Amnesty international berichtet von diskriminierenden Gesetzen gegen Frauen und Homosexuelle. Katars „WM-Botschafter“ Khalid Salman bezeichnet Homosexualität ungeniert als „geistigen Schaden“. Daß Katar die Hamas für ihren Terror gegen Israel finanziert und gutfreund mit dem Mullah-Terrorstaat Iran ist, soll nicht unerwähnt bleiben. Aber weil Geld ja bekanntermaßen nicht nach Verwesung stinkt, werden es die Funktionäre, die Trainer und natürlich die Fußballspieler in Form von fetten Prämien für Tor, Platz und Sieg gerne (ge)ruchlos  nehmen. Der selbstverständlich ebenso unbestechliche FIFA-Präsident Gianni Infantino, der schon seit Monaten einen festen Luxus-Wohnsitz in Katar hat, hat das längst alles eingefädelt und weichgespült. Der Scheck auf ein Konto auf dem Caymans wird entsprechend gewesen sein.
 
Ich wäre ja dafür gewesen, dem ollen Emir lieber die Fußball-WM der Frauen anzutragen, inklusive Trikot-Tausch am Ende jeden Spiels – aber ich bin ja bekannt als Träumer. Da bleibt mir einzig, allen liberalen, schwulen, lesbischen, neugierigen, kritischen und demokratischen Besuchern des autokratisch regierten Landes sowie allen journalistischen Kollegen und Kolleginnen, die dann doch hinfahren zu empfehlen, hübsch brav zu sein, nicht zu meckern, nix falsches zu fotografieren oder zu filmen, keine dämlichen Fragen zu stellen, auf keinen Fall gleichgeschlechtlich Händchen zu halten, um Himmels willen nicht den Schleier der Bigotterie zu lüften und stets eine aus dem Flugzeug gemopste Kotztüte bereitzuhalten, falls Gianni Infantino eine Rede hält. Und immer darauf achten, daß der Schleier sitzt! Dann werden es bestimmt ungemein harmonische Fußball-Weltmeisterschafts-Wochen.
Wie man hört, hat sich Katar (oder war es Dubai?) schon für die olympischen Winterspiele 2030 beworben. IOC-Präsident Thomas Bach soll sich bereits offen gezeigt haben, sehr offen.